Andrea Pozzos Deckenfresken in St. Ignazio
Vorikonografische Beschreibung
Auf den ersten Blick entsteht der ephemere Eindruck, es handele sich um eine hypäthrale Öffnung – ganz so, als stünde der Betrachter unter freiem Himmel, an dem sich ein überirdisches Schauspiel, eine Epiphanie, ereignet. Dabei vermittelt der Kirchenraum trotz der etwas überladenen Präsentation eine behaglich gestimmte Atmosphäre, die abgesehen von der illusionistischen Qualität der Fresken nicht zuletzt auch durch das pastellzarte Kolorit etabliert wird. Gundolf Winter beschreibt die überwältigende Rezeption, bei welcher der Betrachter von einem harmonischen Wohlgefühl erfüllt wird, als „intensiv und unmittelbar erfahrbare Einheit von Immanenz und Transzendenz“.
Im zwischen 1688 und 1694 entstandenen Fresko des Langhausgewölbes, das die Weltmission des Jesuitenordens darstellt, ist das Empyrion zu sehen – der Aufenthaltsort Gottes und der Seligen. Das ideelle Zentrum des Wolkenhimmels wird von der figuralen Darstellung der Trinität bestimmt: Hier schwebt, ein großes hölzernes Kreuz schulternd, der Herr des Lichts, womit Andrea Pozzo auf eine Vision des Hl. Ignatius in La Storta alludiert.
Christi Beine sind angewinkelt, sein rechter Arm ist zur Schwurhand erhoben. Lediglich ein dramatisch im Wind flatterndes pastellgrünes Lendentuch verhüllt seinen Leib. Zu seiner Linken befinden sich der weißbärtige Gottvater mit einem Zepter und einer Weltkugel sowie der Heilige Geist in Gestalt einer von einem Glorienschein umgebenen Taube. Die Erscheinung des Heilands erglüht in goldgelbem Licht, Gottvater ist indes in einen sanften Hauch von Purpur gehüllt.
Aus dem Herzen des Gottessohnes entspringt ein göttlicher Lichtstrahl, der zum Hl. Ignatius gesendet wird, der wiederum als Mittler zwischen der irdischen und der himmlischen Sphäre fungiert. Von Licht umflutet kniet dieser – in ein graublaues Mönchsgewand gehüllt und von Engeln umgeben – auf einer Wolkenbank südlich von Christus. Mit ausgebreiteten Armen und zum Himmel erhobenem Haupt empfängt Ignatius den göttlichen Lichtstrahl, der in seinem entflammten Herzen wie in einem Reflexionsprisma gespiegelt und fünffach gespalten wird. Vier der reflektierten Strahlen treffen dabei auf die Allegorien der bis dato bekannten vier Kontinente, in denen der Jesuitenorden tätig war, der fünfte wird in einem Hohlspiegel reflektiert. In allen fünf Fällen handelt es sich um dreifache Lichtstrahlen, die mithin auf ihren Ursprung – die Trinität – verweisen. Wie Christian Rollinger konstatiert, wird Ignatius im Fresko zu einer „condicio sine qua non des göttlichen Heilsplanes“ und somit zu einer Grundvoraussetzung für die Erlösung der Menschheit glorifiziert.
Bildquelle:
Andrea Pozzo, Deckenmalerei im Langhausgewölbe, ca. 1688–1694, St. Ignazio, Rom, Wikimedia