Das Schreyer-Landauer-Epitaph: Teil 3
„Am ersten Tag der Woche kamen sie in aller Frühe zum Grab, als eben die Sonne aufging.“ (Mk 16,2)
„Denn der Engel des Herrn kam vom Himmel herab, trat hinzu und wälzte den Stein weg und setzte sich darauf. Seine Gestalt war wie der Blitz und sein Gewand weiß wie der Schnee. Die Wachen aber erschraken aus Furcht vor ihm und wurden, als wären sie tot.“ (Mt 28, 2–4)
Das linke Relief im Hochformat zeigt den Vorgang der Auferstehung am Ostermorgen – und damit ein erst seit dem 12. Jahrhundert in der Kunst behandeltes Sujet.[1]
Der bereits aus der vorherigen Passionsszene bekannte Sarkophag bildet nun eine Linie von rechts oben nach links unten, während die schräg zur Seite geschobene Deckplatte mit Zugringen eine das Bild beinahe halbierende, waagerechte Trennlinie erzeugt, die Ruhe und Standhaftigkeit verkörpert. Anmutig mit dem rechten Bein voranschreitend ist der Auferstandene soeben dem steinernen Sarg entstiegen, wobei das Ende des Leichentuchs, das er nun als Umhang über den Schultern trägt, noch über dem Rand des Sarkophags hängt. Das Tuch verhüllt einen Großteil seines Körpers, lediglich seine Brust und die Extremitäten bleiben entblößt, wodurch Christus nicht zuletzt anhand der Wundmale an der Brust sowie den Nagelmalen an Handflächen und Füßen erkennbar bleibt. Die kaum sichtbare linke Ferse hat dieser auf die äußere Bodenplatte des Sarkophags gesetzt. Auf der Deckplatte des Sarges – und zwar ganz an deren Ende – kniet mit gefalteten Händen der geflügelte Engel, dem laut Matthäusevangelium die Öffnung des Grabes zu verdanken ist. Wie Ulrich Söding anmerkt, handelt es sich bei den ausgebreiteten Flügeln des Engels um einen Hinweis auf die seit den Kreuzzügen florierende Heraldik, nämlich um die Helmzier des Stifterwappens.[2] Der friedvolle Blick des Engels ruht auf dem Gottessohn, dessen Gesicht wiederum nach links gedreht und damit dem gelockten Himmelsboten zugewandt ist. Der in aufrechter Haltung abgebildete Erlöser hält in der Linken die Kreuzesfahne und führt mit seiner rechten Hand den Segensgestus aus, womit er zugleich auf die sich im Hintergrund nähernden Frauen zu verweisen scheint.
Besonders eindrücklich wird dem Betrachter Christi überirdische Natur, sobald er einen Blick auf die bewaffneten Grabwächter wirft: Diese finden sich in den unteren Ecken des Reliefs zu den Seiten des steinernen Sarges sitzend. Drei mit behelmten Köpfen sind angesichts der Präsenz des Auferstandenen erschrocken zusammengefahren. Zum Heiland hinaufspähend müssen sie gar mit den Händen ihre Augen abschirmen, da das vom Erlöser ausgesendete gleißende Licht sie zu blenden scheint. Ein vierter Wächter hat von der Auferstehung allem Anschein nach noch nichts bemerkt, denn er sitzt, die Wange auf die rechte Handfläche gestützt und offenbar noch immer im Schlummer liegend, hinter einem ihm die Sicht auf das wundersame Geschehen verbergenden Holzzaun. Letzterer fungiert dabei zugleich als Rahmung für das Gesicht des Heilands.
Der Hintergrund schließlich gewährt eine Panoramaansicht auf die landschaftliche Szenerie mit einer von Mauern umgebenen Stadtarchitektur und eröffnet dem Betrachter die Möglichkeit, den Blick auch hinter den Zaun schweifen zu lassen, wo sich die drei Myrrhophoren – allesamt in Kopftücher gehüllt – auf dem Weg zum Grab befinden. Zwei von ihnen haben ihre Gesichter im Gespräch einander zugewandt. Sie halten Fläschchen mit Salböl, während die vor ihnen befindliche Dritte bereits an den Zaun herantritt, sodass nur noch ihre obere Körperpartie sichtbar ist. Die in Frontalansicht Wiedergegebene besitzt ein rundliches Gesicht und hält die Augenlider gesenkt. Hinter einem Weidezaun ragt schließlich noch eine wippenartige Holzkonstruktion hervor, bei der es sich möglicherweise um eine Blide, eine mittelalterliche Wurfmaschine, handeln könnte. Rechts davon, hinter einem Baum versteckt und kaum noch erkenntlich, sind der bärtige Petrus und Johannes anzutreffen.
In der rechten oberen Ecke ist der auferstandene Christus mit den beiden Aposteln beim Emmausmahl zu sehen. Sukzessive Geschehnisse werden, wie an dieser Stelle sinnfällig wird, nebeneinander gezeigt, sodass sich der Moment der Auferstehung mithin parallel mit der Emmausszene vollzieht und damit zu einer Simultandarstellung verschmilzt.
Bezüglich der Konzeption der Gesamtkomposition ließ sich Kraft von der Auferstehung des Dieric Bouts (um 1455) anregen [3], was unter anderem an der Körperhaltung des Heilands ersichtlich wird. Der Habitus der Engelsgestalt lässt des Weiteren vermuten, dass ihm ebenso Hans Pleydenwurffs Tafel mit der Auferstehung Christi (1465)[4] als Inspiration gedient haben dürfte. Dasselbe gilt für Martin Schongauers Kupferstich (1457), der Christus jedoch mit einem Bein im Sarkophag stehend zeigt.
Am unteren Rand ist – erneut in kleinem Format – der Stifter Sebald Schreyer mit seiner Ehefrau Margarethe Kammermeister zu sehen, deren Wappen drei Vögel enthält.[5] Sebald Schreyers Schild hingegen ist durch eine aufsteigende Spitze dreigeteilt, in welcher der Rumpf einer Frau mit abstehendem Flechtzopf erscheint. Flankiert wird sie von zwei runden Früchten, deren Stiele nach unten gerichtet sind. Diese heraldische Selbstdarstellung mit den zum Hauptgeschehen winzigen adorierenden Figuren zeugt hierbei von einer für das Spätmittelalter kennzeichnenden devoten Gottesverehrung.
Literatur:
[1] Vgl. Fadda 2007, S. 149.
[2] Vgl. Söding 2002, S. 117.
[3] Vgl. Söding 2002, S. 117.
[4] Vgl. Söding 2002, S. 117.
[5] Vgl. Soerries, 2000, S. 5
Bildquelle:
Adam Kraft, Die Darstellung der Auferstehung am linken Strebepfeiler des Schreyer-Landauer-Epitaphs, 1490–1492, Grabskulptur, Reliefplastik aus Sandstein, 2,44 m × 1,5 m, Außenseite des Ostchors von St. Sebald, Nürnberg.