It’s a mad world

 

DONNIE DARKO

(R: RICHARD KELLY, USA, 2001)

Genre: Mystery, Drama, Science-Fiction

28:06:42:12 – diese mysteriöse Zahlenfolge ziert Donnies Unterarm, als er eines Morgens im Oktober 1988 perplex auf einem Golfplatz erwacht. Vor seinem Elternhaus angekommen trifft der Schlafwandler auf seine besorgte Familie, von der er erfährt, dass sein Zimmer nur noch Schutt und Asche ist – während seiner nächtlichen Abwesenheit ist das Triebwerk eines Flugzeugs hineingestürzt.

Schnell wird klar: Donnie (Jake Gyllenhaal) ist kein gewöhnlicher Teenager …

donnie-darko_b_424.jpg

Am 26. Oktober 2001 – und damit wenige Wochen nach den Terroranschlägen des 11. Septembers – startete das sozialkritische Mystery-Drama „Donnie Darko” in den US-amerikanischen Kinos und wurde zum finanziellen Flop – ob aufgrund zu aufwühlender Assoziationen oder dem Publikum schlichtweg zu skurril oder gar zu komplex, sei dahingestellt.

Doch nach Veröffentlichung der DVD avancierte der Independent-Film mit seiner ästhetisch und dramaturgisch unkonventionellen Gestaltung und trotz seines geringen Budgets unerwartet zum Kult-Hit. Fans betonen immer wieder die merkwürdig surreale, fesselnd-hypnotische Atmosphäre des Films. Tatsächlich zieht den Zuschauer das Zusammenspiel aus Kameraführung, melancholisch-eingängiger Filmmusik und stetig rätselhafter werdenden Bildern sofort in seinen Bann.

Immer wieder wird Donnie nachts von apokalyptischen Visionen heimgesucht. Sein imaginärer Freund Frank, der stets ein furchteinflößendes Hasenkostüm trägt, treibt ihn fortan zu immer neuen destruktiven Handlungen. Donnie ist es ihm schuldig: Schließlich war er es, der ihn in der besagten Nacht aus dem Haus lockte und ohne den Donnie nicht mehr am Leben wäre. Doch nun prophezeit Frank: „28 Tage, 6 Stunden, 42 Minuten, 12 Sekunden. Dann ist das Ende der Welt gekommen.“

Ähnlich dem Mikrokosmos in den Filmen von David Lynch ist in der Kleinstadt Middlesex nichts so, wie es auf den ersten Blick erscheint. Donnies verzweifelte Versuche, die absurde Welt, die ihn umgibt, zu begreifen, müssen zwangsläufig scheitern. Der Philosoph Jiddu Krishnamurti schrieb einst, es sei „kein Zeichen geistiger Gesundheit, gut angepasst an eine kranke Gesellschaft zu sein.“ Ironischerweise ist der offenbar psychisch verwirrte Außenseiter Donnie in der Tat der einzige, der das Gesellschaftssystem in Frage stellt und letztendlich die heuchlerische Doppelmoral seiner Mitmenschen entlarvt.

(Achtung Spoiler!)

So demaskiert der desillusionierte junge Erwachsene den erfolgreichen Motivationsguru Jim Cunnigham (Patrick Swayze), der den Menschen von dem „Weg der Angst“ zurück auf den „Pfad der Liebe“ verhilft, schon bald als Mitglied eines Kinderporno-Rings, während sich die uralte, verrückt erscheinende Roberta Sparrow, von allen nur „Grandma Death“ genannt, als geniale Physikerin entpuppt. Ihr Buch „Die Philosophie des Zeitreisens“ soll Donnies Leben schlagartig verändern.

 

Donnies Lebensangst und Weltschmerz werden von Jake Gyllenhal mehr als überzeugend verkörpert. Bemerkenswert ist zudem, wie gut der Genre-Mix funktioniert: Neben Mystery und Drama finden sich auch Horror- sowie Science-fiction-Elemente. Im nächsten Augenblick erinnert der Film dann an eine düster-komische High-School-Satire. Gekoppelt mit den zahlreichen Anspielungen an die Filmgeschichte (darunter Martin Scorseses „The Last Temptation of Christ“, Sam Raimis „The Evil Dead“ und Robert Lee Zemeckis’ „Back To The Future“) gelingt es Richard Kelly auf diese Weise, bei vielen Zuschauern nostalgische Gefühle für das Leben der 1980er Jahre zu entfachen. Ferner finden sich noch Verweise auf literarische Werke wie Graham Greenes „The Destructors“, aber auch auf Goethes „Faust“ und Lewis Carrolls „Alice im Wunderland“. So gibt sich Donnies Freundin den Namen „Gretchen“, während Frank an den verrückten Märzhasen erinnert, der Alice dabei hilft, in eine andere Welt zu reisen.

Mit den verschiedenen Deutungsmöglichkeiten, die der Film zulässt, ließen sich ganze Bücher füllen. Laut Sparrows Theorie habe sich mit dem Sturz der Turbine ein Paralleluniversum gebildet, das nun das Hauptuniversum gefährde. Donnie sei damit auserwählt, um das Artefakt zum Primäruniversum zurückzubringen und so die Welt zu retten. Doch muss er dafür wirklich sein Leben opfern?

„Jedes Lebewesen auf der Erde stirbt für sich allein“, soll Roberta Sparrow Donnie einmal zugeflüstert haben. So handelt es sich, einer anderen Theorie zufolge, bei dem Großteil der Handlung um den Traum eines Sterbenden, ähnlich der Kurzgeschichte „An Occurrence at Owl Creek Bridge“ von Ambrose Bierce oder David Lynchs „Mulholland Drive“ (Regisseur Richard Kelly bezeichnet sich selbst als Lynch-Fan). Letztendlich bekommen wir immer nur Donnies subjektive Perspektive zu sehen.

Die Songtextzeilen aus dem Mad-World-Cover von Michael Andrews und Gary Jules (das Original stammt von der britischen Popgruppe „Tears for Fears” aus dem Jahr 1982), die den Zuschauer nach Donnies Tod zu Tränen rühren, bekämen in diesem Fall jedenfalls eine ganz neue Bedeutung:

„I find it kind of funny. I find it kind of sad. The dreams in which I'm dying are the best I've ever had”.