Der tägliche Kampf um die Freiheit

 

IN BLOOM

(R: NANA EKVTIMISHVILI, SIMON GROSS, GE, 2013)

Genre: Drama

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Das mehrfach preisgekrönte deutsch-georgische Coming-of-Age-Drama von Nana Ekvtimishvili und ihrem Mann Simon Groß handelt von Desillusion, jugendlicher Rebellion und der Macht der Freundschaft.

Tiflis im Jahre 1992: Kaum hat Georgien sich von den Sowjets unabhängig erklärt, da droht es schon wieder in einem Bürgerkrieg zu zerfallen. In der Provinz Abchasien herrschen blutige Kämpfe, Georgiens Hauptstadt ist von Armut gezeichnet. Inmitten von Gewalt und Unterdrückung werden die 14-jährigen besten Freundinnen Eka und Natia auch noch mit der Herausforderung des Erwachsenwerdens konfrontiert. Beide leben in zerrütteten Familien und wissen: Von den Erwachsenen ist nicht viel zu erwarten, sie haben nur einander. So leidet Natia unter den cholerischen Ausbrüchen eines Elternteils, während die geistig frühreife Eka gänzlich ohne Vater aufwächst. In einer eindrucksvollen Szene träumen und singen die Mädchen gemeinsam von der großen Freiheit, doch der Refrain verrät, was insgeheim jede von ihnen weiß: “This life is so bitter and harsh. If you have a dream it will crush it.“ Als Natias große Liebe Lado schließlich für eine Weile das Land verlassen muss, schenkt er seiner temperamentvollen Freundin eine Pistole mit einem einzigen Schuss Munition…

Gedämpfte Farben in Braun- und Blautönen prägen die visuelle Szenerie. Fernab vom Glanz Hollywoods und ohne übertrieben künstliche Dramatisierung gelingt es, eine ungewöhnlich realistische Atmosphäre zu kreieren: Die Charaktere essen schmutziges Brot oder hungern, sind auf sich allein gestellt und sterben einen unspektakulären Tod. Doch neben aller Demütigung und Gewalt vermittelt der Film zugleich den für Teenager typischen Hunger nach Leben – Augenblicke, in denen der Versuch, der existenziellen Melancholie zu entkommen, zumindest zeitweise gelingt. Es wird gelacht, getanzt und gesungen. Ekas und Natias Erwartungen, Sehnsüchte und Enttäuschungen sind für den Zuschauer zu jeder Zeit spürbar. So setzt sich die Kamera erst in Bewegung, sobald die Figuren sich bewegen. Worte erscheinen überflüssig.

Wann immer Eka ihren Vater vermisst, hilft ihr der Geruch des Tabaks, sich seiner zu erinnern. Als sie eines Tages nicht mehr weiter weiß, für das Chaos ihrer Gefühle keine Worte findet, so beginnt sie, zu tanzen. Der Kampf um politische Unabhängigkeit, der den Zeitgeist prägt, findet sich dabei in der individuellen Entwicklung der Figuren wieder: In der Schule tyrannisiert die Lehrerin ihre Klasse, zu Hause werden die Frauen von ihren Männern unterdrückt. Doch man leistet Widerstand und rebelliert. Letztendlich spiegelt sich die Kämpfernatur der Georgier also vor allem im Alltag wider, wie die Stimme des Nachrichtensprechers zu Beginn des Films verrät: “There have always been people in Georgia who are warriors.”